Auf schwankenden Hängebrücken Schluchten überqueren, am Stahlseil entlang die Felswände hochklettern, sich im Seilpark von Baum zu Baum hangeln: Wer hat da nicht seinen Spass dran? Wir nehmen Sie mit ins Outdoor-Paradies Schweiz, auf abenteuerliche Ausflüge in die Welt der Drahtseile, Tyroliennes und schaukelnden Brücken.
Jochen Ihle, Toni Kaiser Text und Bilder
Martina packt den Karabinerhaken, hängt ihn im Führungsseil ein und macht dasselbe mit dem zweiten Haken. Mit Leichtigkeit greift die Zwölfjährige in den Fels, stemmt sich mit den Füssen hoch, steht sicher und nimmt bereits wieder einen Karabiner vom Seil, klickt ihn weiter oben, hinter der nächsten Sicherung erneut ins Seil. Die Leichtigkeit, mit der das Mädchen ohne Angst den Felsen hochkraxelt, ist beeindruckend, und ich muss mich sputen, den Anschluss nicht zu verlieren.
Natürlich haben alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorab ein mulmiges Gefühl, wenn sie unten an einer Felswand oder am Fusse eines Mammutbaumes im Baumpark stehen. «Rambo spielen» ist hier keine Option. Sondern es gilt, Ängste und Bedenken ernst zu nehmen und den Kindern die Möglichkeit zu bieten, sich langsam zu steigern. Kinder sollen Spass am Klettererlebnis finden und nie gegen Ihren Willen zu Abenteuern gezwungen werden. Wobei – ein bisschen Nervenkitzel gehört halt schon dazu.
Klettersteige, Seilparks und Hängebrücken üben eine besondere Faszination auf Jung und Alt aus. Sie sind oft spektakulär und erfordern Mut. Dennoch sind sie weitgehend ungefährlich, wenn man sich an die einfachsten Grundregeln hält.
So heisst es in einem bekannten Lied. In den Schweizer Bergen werden Wanderungen zu und über Hängebrücken immer beliebter. Angefangen hat alles im Jahre 2004 mit der Triftbrücke. Sie wurde aus der Notwendigkeit heraus gebaut, einen Hüttenzustieg zu erleichtern. Inzwischen pendelt über so mancher Schlucht eine Seilbrücke, wird mancher tiefe Graben auf einem schmalen Nepalsteg überwunden.
Immer höher, immer weiter? Die vielen spektakulären Brückenbauwerke werfen auch kritische Fragen auf. Manch’ einer vermisst die Ruhe. Denn oft sind es gerade die stillen Orte, die bleibende Erinnerungen hinterlassen. Wie wäre es mit einer beschaulichen Wanderung durch den Pfynwald zur ungewöhnlichen Bhutanbrücke? Oder mit einer Reise ins Tessin, wo sich im Maggiatal gleich mehrere schwankende Brücken über den Fluss spannen? Die sind zwar nicht hoch, aber ziemlich lang. Und die Kinder finden im Flussbett erst noch herrliche Spielplätze, mit kristallklarem Wasser und glatt geschliffenen Steinen.
Ein Klettersteig, das ist genau die richtige Mischung für all jene, denen das Wandern manchmal zu fad, das richtige Klettern jedoch zu schwierig ist. Das Drahtseil ist die Nabelschnur, am Berg helfen Eisenstifte, Sprossen, Leitern und Dreiseilbrücken über die kniffligsten Passagen hinweg. Deshalb heisst ein Klettersteig auch «Via Ferrata» – Eisenweg. Das Brunnistöckli in Engelberg und der Chäligang in Adelboden sind perfekte Klettersteige für Einsteiger. Familien mit berggewohnten Kindern können sich am Gommer Eggishorn oder am Saaser Mittaghorn versuchen.
Das «Bezwingen» von Felswänden mithilfe von fest installierten Klettersteigen ist nicht neu. Allein in der Schweiz gibt es gegen 100, und es werden immer mehr. Doch nicht nur das, sie werden zum Teil auch immer schwieriger. Waren Klettersteige früher oft nur als gesicherte Steige, Gratwanderungen oder leichte Klettereien angelegt, haben sich in den letzten Jahren zunehmend sogenannte Sportklettersteige etabliert. So gibt es vom leichten Eisenweg bis zur kühnsten Sportkletter-Ferrata inzwischen alles. Gerade letztere verlaufen oft durch schwierigste, teils gar überhängende Felswände, manche enthalten auch kraftraubende Seilparkelemente. Dass solche Passagen mit einigen hundert Metern gähnender Leere unter den Füssen andere Ansprüche an den Bergsteiger, die Bergsteigerin stellen, als wenn das ganze nur fünf Meter über dem Waldboden stattfindet, dürfte klar sein. Darum gilt es seriös abzuwägen, was man sich zutrauen kann und was nicht.
Definiert ist ein Klettersteig (was in etwa auch für den Seilpark gilt) als Kletterroute mit fest installierten Sicherungen und künstlichen Haltepunkten. Die Schwierigkeitsbewertung hängt von zwei Faktoren ab: vom Schwierigkeitsgrad der naturbelassenen Route und von Art bzw. Umfang der Hilfsmittel wie Drahtseilen, Steighilfen, Leitern usw. Skalen dienen der Planung und eigenen Einschätzung. Hierzulande gebräuchlich ist die sechsstufige Hüsler-Schwierigkeitsskala – von K1 (leicht) bis K6 (extrem schwierig). Sie berücksichtigt neben den Schwierigkeiten auch Faktoren wie Bergerfahrung, Kraft, Ausdauer und Psyche. Die Bewertung bezieht sich immer auf günstige Verhältnisse und die jeweils anspruchsvollste Passage.
Nicht am Fels, dafür im Wald und oftmals gleich vor den Toren der Stadt, sind die Seilparks angesiedelt. An den Bäumen befinden sich Plattformen, welche durch Stahlseile und verschiedene Hindernisse miteinander verbunden sind. Der Weg von Baum zu Baum wird durch das Überwinden von beweglichen Elementen erschwert, und manchmal saust man auch mittels Tyrolienne, einer Art Seilbahn, von Plattform zu Plattform. Im Seilpark sind vor allem Geschicklichkeit und Konzentration gefragt, und je nach Plattformhöhe auch Schwindelfreiheit. Diese und das Gewöhnen an die Höhe lassen sich in Seilparks gut trainieren, damit man sich auf «höhere» Aufgaben am Fels vorbereiten kann. Seilparks weisen keine einheitliche Bewertung auf. Die unterschiedlich schwierigen Parcours sind jeweils mit verschiedenen Farben markiert und tragen manchmal auch einen Routennamen. Also, wer kommt mit auf den «Höigümper», das «Eichhörnchen» oder den «Adler»?
Zwar sind Klettersteigsets mit einer Seilreserve ausgestattet, die einen Sturz abmildern. Dennoch kann ein solcher fatale Auswirkungen haben, denn die Sicherheitsausrüstung ist so konzipiert, dass sie grundsätzlich den Totalabsturz verhindert. Passiert es doch, fällt man bis zur nächsten Drahtseilverankerung plus Länge der Bandschlingenreserve, was eine Sturzhöhe von 6 m ergeben kann. Rauer Fels und vorstehende Metallstifte der Verankerungen können deshalb zu schwerwiegenden Verletzungen führen. Hinzu kommt die enorme Wucht des Aufpralls: Diese Fangstoss genannte Krafteinwirkung auf den Körper ist wegen der kurzen Seilreserve um einiges höher als beim normalen Felsklettern, wo ein Sturz durch die grosse Seildehnung viel stärker abgefedert wird.
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